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Info 469

Jetzt reicht's!

7. Sept. 2020

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

nachdem mein Telefon in den letzten Tagen mit Anrufen verzweifelter Kollegen heiß gelaufen ist, die nicht wissen, wie sie ihre Stundenpläne organisieren sollen, und denen mit persönlicher Haftung gedroht wurde, wenn sie die 5 min. "Pause" nach jeder Unterrichtseinheit nicht einhalten, sehe ich mich veranlasst, Klartext zu schreiben:

Versteckte Stundenerhöhung durch die Corona-Hintertür?

Ich fürchte, hinter dem Lüften nach jedem Schüler steckt die Absicht, regelmäßige "Pausen" (zusätzliche Arbeitszeit) nach jeder Unterrichtseinheit zu etablieren. Die 5 min. wurden von den Verantwortlichen des Landes NÖ schon immer gefordert, nur bisher nicht durchgesetzt. Es gibt Anzeichen, die darauf hindeuten, dass die Corona-Maßnahmen verwendet werden könnten, um die Regelung dauerhaft einzuführen.

Wehrt euch!

Meldet der Musik & Kunst Schulen Management GmbH, wie sich ihre Empfehlung auswirkt!
https://www.mkmnoe.at/ueber-uns/team
+43 2742 9005 16810

Wenn ihr anonym bleiben wollt, postet einen Beitrag im Diskussionsforum!
https://414971.forumromanum.com/member/forum/forum.php?action=index&USER=user_414971
(Im Feld "Name" einen 'Künstlernamen' eingeben, das Feld "eMail" freilassen!)

An dieser Stelle eine Dankeschön an alle Dienstgeber, die verstanden haben, dass der Leitfaden eine Empfehlung ist, und an alle Musikschulleiter/innen, die sich für die Interessen ihrer Lehrkräfte eingesetzt haben!

Wenn euer Dienstgeber aus der Empfehlung eine Dienstanweisung macht, wendet euch an eure Personalvertretung! Diese muss in solche Änderungen einbezogen werden. Wenn es keine gibt: Die Neugründung einer Personalvertretung ist jederzeit möglich!
NÖ Gemeinde-Personalvertretungsgesetz § 25 Befugnisse der Personalvertretung
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Landesnormen/LNO40003227/LNO40003227.html
Broschüre Personalvertretung gründen für Musikschullehrer leicht gemacht
https://www.younion.at/cms/C01/C01_13.4.5.5/ausschuesse/musikschulen/pv-broschuere

Aufs Lüften kommt es an!

Selbstverständlich ist es von entscheidender Bedeutung, so viel wie möglich zu lüften, jedoch bedarf es dazu keiner "Pausen". Im Leitfaden des Bundesministeriums für die Schulen wird möglichst häufiges Lüften während des Unterrichts dringend angeraten:
"Regelmäßiges Lüften der Schulräume, auch während des Unterrichts. Die Festlegung fixer Intervalle für das Lüften (z. B. alle 20 Minuten) unterstützt die konsequente Umsetzung. Eine regelmäßige Durchlüftung senkt die Viruskonzentration pro Volumeneinheit und damit die Wahrscheinlichkeit einer Infektion sehr deutlich."
https://www.bmbwf.gv.at/dam/jcr:7a429b78-4e73-4047-8fd9-0a541334d4a4/schuleimherbst.pdf

Es wird trotzdem nie möglich sein, eine Infektionsgefahr völlig auszuschließen. Wie soll jedoch jemand dafür verantwortlich gemacht werden, wenn er alle Sicherheitsvorkehrungen einhält und neben Abstand und Hygiene-Maßnahmen auch die Fenster so lang wie möglich offen lässt?

Natürlich begegnen sich in den Musikschulen Schüler unterschiedlicher Schulen und Altersklassen - ebenso wie bei anderen Freizeitaktivitäten - oder bei Geschwistern in den jeweiligen Familien. Zwei Schüler, die im Einzelunterricht aufeinander folgen, auf Abstand zu halten, ist jedoch bestimmt eine der kleineren Herausforderungen, die auf uns zukommen. Wem es wirklich um diese Ansteckungsgefahr geht, der muss nicht nur Ensembles, Früherziehung und Schulkooperationen hinterfragen, sondern vor allem alle Lehrer mindestens mit FFP 2 Masken ausstatten. Denn wenn es auf den Luftaustausch vor dem Eintreten des nächsten Schülers ankommt, muss auch berücksichtigt werden, dass sich die Schüler nicht nur direkt, sondern über den Lehrer anstecken könnten, der sich mit jedem von ihnen bis zu 50 min. in einem mehr oder weniger stark aerosolbelasteten Raum aufhält, wenn er nicht schon während des Unterrichts regelmäßig die Fenster aufmacht...

Die Mehrdienstleistung in Zahlen:

5 zusätzliche min. pro Schüler entsprechen im schlimmsten Fall (lauter 25 min. Einheiten) bei Vollbeschäftigung ...
... pro Tag bis zu 1 Std. 20 min. mehr bzw. 3 Schülern weniger
... pro Woche bis zu 4,5 Std. mehr
... pro Jahr bis zu 166,5 Std. mehr
... einer Gehaltskürzung von bis zu 16,67 % !

Wie ich darauf komme?

Wie gesagt wurde etlichen Kollegen und im Vorfeld scheinbar auch deren Musikschulleitungen mit Haftungsfragen Angst eingejagt, und dabei den Berichten zufolge in erster Linie auf der Einhaltung der "Pausen" beharrt, während das Lüften als eigentlicher Sinn der Regelung in den Hintergrund der Argumentation getreten ist.

Die Geschäftsführerin des Musik & Kunst Schulen Managements hat die Maßnahme mir gegenüber hauptsächlich damit begründet, dass die 5 min. bundesweit einheitlich seien und in anderen Bundesländern - schon lange und unabhängig von der Corona-Situation - "Pausen" nach jeder Unterrichtseinheit einzuhalten seien, dass in einer Unterrichts-Stunde 10 min. "Pause" nach jeder 50 min. Einheit implizit ohnehin vorhandenen seien, und dass die GmbH immer schon vertreten habe, nach jeder beendeten Unterrichtseinheit "Pausen" einzuplanen.

(Daraus, dass es auch bisher keinen Einfluss auf die Förderungen hatte, wenn eine Musikschule dieser alten Forderung nicht nachgekommen ist, kann man übrigens schließen, dass es sich auch nicht nachteilig auswirken sollte, das Lüften während der Corona-Zeit anders zu regeln.)

Wir vom Musikschulausschuss haben damals wie heute darauf aufmerksam gemacht, dass Regelungen, die im Schulbereich sinnvoll sein mögen, auf das Musikschulwesen nicht notwendigerweise anwendbar sind. Während der Pause in einer Volksschule haben die Kinder Pause und der Lehrer Pausenaufsicht. In einer Musikschule gibt es zwischen den Einheiten niemanden zu beaufsichtigen, da die Schüler direkt zum Unterricht kommen und direkt im Anschluss wieder heimgehen oder abgeholt werden. In der Mittelschule oder AHS wechseln die Lehrer den Raum und gehen in der Zwischenzeit ins Konferenzzimmer. Musikschullehrern steht in vielen Fällen gar kein Lehrerzimmer zur Verfügung, sie wechseln höchstens den Standort - was wesentlich länger als 5 min. dauert - und zumindest im Einzelunterricht gibt es nichts, was man nicht schon am Vormittag, Tag, Wochenende oder in den Ferien zuvor vorbereiten könnte. Dem trägt unsere Jahresarbeitszeitregelung ja auch Rechnung.

Außerdem haben wir eine deutlich höhere Lehrverpflichtung als im Schulwesen, und auch im Musikschulbereich sind die Rahmenbedingungen österreichweit nicht annähernd vergleichbar. Auch hier liegt unsere Lehrverpflichtung über jener der meisten anderen Bundesländer, und die Unterrichtsformen sind ebenfalls sehr unterschiedlich: Während es andere Bundesländer gibt, in denen nur 50 min. Einheiten unterrichtet werden, ist insbesondere der Anteil an 25 min. Einheiten ist bei uns in den letzten Jahren und Jahrzehnten überdurchschnittlich angestiegen. Manche Musikschulen bieten 50 min. sogar nur mehr in Ausnahmefällen, etwa für Wettbewerbsteilnehmer, an. Die Gemeinden heben für die halben Einheiten meist deutlich höhere Tarife ein, während die Lehrkräfte trotz doppelten Aufwands dasselbe bezahlt bekommen. Die Atemlosigkeit dieser 'Abfertigung' in reihenweisen 25 min. womöglich mit 5 min. Pausen kaschieren zu wollen, die auf nichts anderes als ein unbezahltes Überziehen des Unterrichts hinauslaufen, würde doppelt auf Kosten der Lehrer gehen! In vielen Musikschulen wurden längst 30, 40 oder 60 min. Unterrichtseinheiten eingeführt, sodass Schüler oder Eltern, denen 25 min. zu kurz sind, für die vollen 30 min. auch zahlen können.

Keine "Pausen", sondern Arbeitszeit!

Dass immer von "Pausen" die Rede ist, ist irreführend! Abgesehen vom unvermeidlichen Überziehen des Unterrichts zählen auch die in den Pflichtschulen sowie in einzelnen Bundesländern inbegriffenen 'Rest-Minuten' auf die vollen 60 min. einer Stunde klar zur Unterrichtszeit. Ebenso waren und sind die anlässlich der Corona-Krise eingeführten Lüftungs-Zeiten keine tätigkeitsfreie Zeit, sondern unter anderem zum Desinfizieren gedacht, und werden - selbst wenn das nicht so viel Zeit in Anspruch nimmt oder bereits im Rahmen des Unterrichts erledigt werden kann - aufgrund der räumlichen Bindung und kurzen Dauer nie und nimmer der Erholung dienen. Daher sind sie auch als Mehrdienstleistung zu entlohnen!

Résumé

Ich hoffe, meine Befürchtung bewahrheitet sich nicht! Denn wir Musikschullehrer haben in dieser Krise unglaublich viel geleistet. Wir haben uns bemüht, unsere Schüler unter widrigsten Bedingungen und zum Teil ohne jegliche Unterstützung bei Laune zu halten. Wir haben alle unsere privaten Mittel zur Verfügung gestellt oder sogar auf eigene Kosten technisch 'aufgerüstet'. Viele von uns müssen sich trotz aller Anstrengungen auch ohne diese Verlängerung ihrer Arbeitstage schon genug Sorgen um den Erhalt ihrer Stunden machen. Wir haben nicht verdient, dass uns zum Dank für unser überdurchschnittliches Engagement die Arbeitszeit um mehr als einen halben Arbeitstag pro Woche hinaufgesetzt wird - schon gar nicht mit unnötiger Angstmacherei vor dem Hintergrund der Ansteckungsgefahr. Ich hoffe, die Corona-Krise wird uns später nicht als 'Testphase' für die Einführung unbezahlter Überstunden, sondern als Zeit von gegenseitiger Hilfe, Verständnis und Zusammenhalt in Erinnerung bleiben!

Schönen Schulanfang!
Mit freundlichen Grüßen,

Martina Glatz
+43 664 6145370
martina.isabel.glatz@gmail.com

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Infonetzwerk NÖ Musikschullehrer/innen
www.noe-musikschulinfo.net
noe-mslehrer@gmx.at

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