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Info 409

Leserbrief zum Presse-Interview mit Johannes Maria Staud

10. Dez. 2018

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

bisher hat die Zeitung Die Presse leider weder meinen Leserbrief noch eine Klarstellung zu den Aussagen der Redakteurin und des Komponisten Johannes Maria Staud zur Blockflöte und ihren Pädagoginnen und Pädagogen veröffentlicht. Daher ersuche ich das Infonetzwerk, die folgende Stellungnahme zu verschicken, alle Kolleginnen und Kollegen, sie an alle Betroffenen und zuständigen Stellen weiterzuleiten und das Interview auch selbst zu kommentieren - als Presse-Abonnent am besten direkt in der online-Ausgabe (unter dem unten zitierten Link).


Sehr geehrte Damen und Herren der Leserbriefe-Redaktion,

einige Aussagen aus einem Presse-Interview der Redakteurin Judith Hecht mit dem Komponisten Johannes Maria Staud haben vergangene Woche bei vielen Musikschullehrern - und zwar bei Kolleginnen und Kollegen verschiedenster Instrumentalfächer - eine Welle der Empörung ausgelöst. Leider haben fachlich einschlägige Organisationen wie die ERTA Österreich (www.erta.at) und die zuständige Fachgruppe der KOMU (www.komu.at) noch nicht offiziell darauf reagiert. Daher komme ich als Interessensvertreterin der NÖ Musikschullehrer - auch im Namen von Musikschullehrervertretern aus anderen Bundesländern wie dem Burgenland, Tirol, Kärnten und Wien - hiermit den Anfragen meiner Kollegen nach, eine Stellungnahme zu dem Artikel zu verfassen, insbesondere zu folgendem Zitat:

Die Presse 25.11.2018
Johannes Maria Staud: „Blockflöte ist wirklich kein anregendes Instrument“
Judith Hecht: „Verstehen Sie, weshalb so viele Eltern ihr Kinder ausgerechnet Blockflöte lernen lassen? Dieses Instrument nimmt einem ja meist die Freude an der Musik.“
Johannes Maria Staud: „Ja, das tut es, und Blockflötenlehrer sind - egal, ob auf dem Land oder in der Stadt- meist ganz furchtbare Pädagogen. Und es ist wirklich kein anregendes Instrument. Ich werde in meinem Leben wohl nie für Blockflöte schreiben.“

https://diepresse.com/home/kultur/klassik/5535787/Johannes-Maria-Staud_Blockfloete-ist-wirklich-kein-anregendes

Es tut mir sehr leid, dass scheinbar sowohl der Komponist als auch die Redakteurin ihren ersten Instrumentalunterricht negativ erlebt haben. Das berechtigt sie jedoch nicht zu derart pauschalen diffamierenden Äußerungen über ein Musikinstrument und eine gesamte Berufsgruppe. Herr Staud soll sich inzwischen für seine Aussagen entschuldigt haben. Solange diese Richtigstellung jedoch nicht gedruckt wird und eine ebenso breite Öffentlichkeit erreicht wie sein ursprüngliches Zitat, kann diese Entschuldigung den entstandenen Schaden für das Ansehen eines ohnehin völlig unterschätzten Instruments und seiner Pädagogen nicht wiedergutmachen - zumal das betreffende Zitat in der online-Ausgabe sogar als Schlagzeile verwendet wurde. Ich ersuche daher um eine entsprechende Klarstellung zu den undifferenzierten und unqualifizierten Aussagen, die dem Niveau eines Qualitäts-Print-Mediums wie der Presse angemessen ist!

Freilich kann nicht jeder Lehrer jedem Schüler gleich gut zusagen. Es kann sogar vorkommen, dass sich Pädagogen mehr oder weniger für ihre Aufgaben eignen. Aber das kann in jedem Unterrichtsfach auftreten, ebenso wie in jedem anderen Beruf auch. Natürlich muss nicht jedes Instrument jedem Menschen gleich gut gefallen, und es kann vorkommen, dass Kinder nicht von Anfang an jene Musikinstrumente spielen, die sie sich wünschen oder die zu ihnen passen. Aber das kann verschiedenste Ursachen haben. In einem Land, in dem Musikschulunterricht auf freiwilliger Basis angeboten wird, kann es jedenfalls nicht an der Entscheidung der betreffenden Lehrkräfte liegen!

Dass Generationen von Schülern zunächst Blockflöte gelernt haben, ist vielmehr hauptsächlich auf wirtschaftliche und praktische Überlegungen ihrer Eltern zurückzuführen, da vor allem die Sopran-Blockflöte schon lange in Kunststoff erhältlich, preisgünstig, handlich, leicht transportabel, nicht übermäßig laut und ihre Notation im Violinschlüssel vergleichsweise leicht zu lesen ist, sowie auf eine unglückliche Entwicklung im Instrumentenbau der Blockflöte und eine erst später einsetzende vermehrte Entwicklung kindgerechter Formen anderer Instrumente und deren frühinstrumentaler Pädagogik. Unter dem hartnäckigen Image der Blockflöte als Anfänger-Instrument, unter dem damit häufig verbundenen Gruppenunterricht oder Unterricht durch andere Pädagogen ohne entsprechende Ausbildung, sowie unter der nach wie vor verbreiteten deutschen Griffweise leiden viele Blockflötenlehrer bis heute. Denn richtig gespielt sind Blockflöten in all ihren Größen und Formen nicht das leichteste, sondern eines der anspruchsvollsten Musikinstrumente hinsichtlich Intonation, Klang und Spieltechnik!

Umso unpassender erscheinen die diesbezüglichen Aussagen aus dem Interview, zumal sich - seit Johannes Maria Staud die Singschule besucht hat - nicht nur der Blockflöten-Unterricht, sondern die gesamte Musikschul-Praxis stark entwickelt hat. Ich bin zwar selbst Klavierlehrerin, habe aber als Korrepetitorin regelmäßig das Vergnügen, in verschiedenen Musikschulen mit mehreren Blockflöten-Kolleginnen und -Kollegen zusammenzuarbeiten. Daher kann ich aus persönlicher Erfahrung berichten, dass ich noch keinen Schüler kennengelernt habe, dem die Blockflöte die Freude an der Musik genommen hat. Ganz im Gegenteil erlebe ich Schüler vom Kindergarten- übers Teenager- bis ins Erwachsenen-Alter und vom Anfänger- übers Fortgeschrittenen- bis zum Universitäts-Niveau, die mit Begeisterung Blockflöte spielen und von engagierten und fachkundigen Pädagoginnen und Pädagogen motiviert und ausgebildet werden. Auch selbst empfinde ich es als höchst „anregend“, sowohl Solisten als auch Ensembles in verschiedensten Besetzungen auf unterschiedlichen Tasteninstrumenten begleiten zu dürfen, und dabei auch Orgeln und historische Kielinstrumente wie Cembalo oder Spinett, sowie stilistische Besonderheiten - insbesondere der Renaissancemusik aber auch zeitgenössischer Kompositionen - kennenlernen zu dürfen, die mir als Pianistin sonst nicht begegnen würden.

Abgesehen davon hat die Blockflötenfamilie viele berühmte Komponisten wie etwa Vivaldi, Händel oder Telemann, aber auch zum Beispiel Luciano Berio oder Mauricio Kagel zu tollen Werken inspiriert, und wurde sogar in der - von Herrn Staud als Teenager wertgeschätzten - Rockmusik verwendet, am wohl prominentesten von Led Zeppelin im legendären Song „Stairway to Heaven“, ganz zu schweigen von ihren stilistisch vielfältigen Einsatzmöglichkeiten in österreichischer und internationaler Volksmusik... Daher wünsche ich dem Komponisten, dass er seine negativen Anfänger-Erfahrungen irgendwann überwindet und „prinzipiell einmal alles zulässt“ - wie er es auch von seinen Studenten am Mozarteum erwartet. Denn „vorschnelle Geschmacksurteile stören mich“ auch, und wer auf „Ohren ohne Vorurteile“ hofft, sollte auch selbst „offen und neugierig“ sein.

Mit freundlichen Grüßen,

Martina Glatz
Musikschulausschuss Younion NÖ
(https://www.younion.at/cms/C01/C01_13.4.5/ausschuesse/musikschulen)


P.S.:

Eine Diskussion im Forum für Musikschullehrer/innen ist unter folgendem Link möglich:

https://414971.forumromanum.com/member/forum/forum.php?USER=user_414971

MfG Katharina Rosenberger

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Infonetzwerk NÖ Musikschullehrer/innen
www.noe-musikschulinfo.net 
noe-mslehrer@gmx.at

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