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Fallbeispiele

KURIER 17. Nov. 2011
600 Überstunden für angeordnetes Nichtstun

In Niederösterreich gibt es einen skurrilen Arbeitsrechtsfall rund um Musikschuldirektor Karl Gottwald.

Eines der kuriosesten Arbeitsverhältnisse Österreichs ist um einen kuriosen Aspekt reicher: Der ehemalige Leiter der Musikschule Vösendorf darf ab September 24 Wochen lang bei vollen Bezügen seine Freizeit genießen. "Erworben" hat er diese Überstunden und den damit nun verbundenen Zeitausgleich mit dem Sitzen in einem Kammerl. Beim Nichtstun.

Wie der KURIER bereits mehrmals berichtete, tobt der Rechtsstreit zwischen Karl Gottwald und der Gemeinde Vösendorf (Bezirk Mödling) schon seit 2004. Damals war er nach heftiger öffentlicher Kritik an baulichen Zuständen der Musikschule und Hinweis auf Gefahren als deren Leiter fristlos gekündigt worden. Weil das Gericht ihn aber unterstützte ("das Dienstverhältnis besteht aufrecht fort") muss ihn die Gemeinde seit 2006 weiterbeschäftigen. Inzwischen war aber schon ein neuer Leiter der Musikschule bestellt worden.

Weil man "keine Verwendung" für Gottwald finden konnte oder wollte, verpasste ihm der damalige Bürgermeister Meinhard Kronister im September 2007 eine skurrile Dienstanweisung: Gottwald habe seine Dienstzeit von 7.30 bis 12.30 Uhr in einem "Kammerl" im ehemaligen Hortgebäude abzusitzen. Dort befindet sich ein Sessel, ein Tisch und sonst nichts. Kein Telefon, kein Computer und auch keine Schüler. Aufgabe: Über Entwicklungsmöglichkeiten der Musikschule nachdenken.

10 Minuten zu viel

Die fünf sinnlosen Stunden täglich bargen aber einen Fehler: Eine Lehrerstunde ist nur mit 50 Minuten zu berechnen und nicht mit 60. Gottwald zog wieder vor Gericht. Nach dreijährigem Streit gibt es nun einen Vergleich: Ihm wurden 600 Stunden als Zeitausgleich zugestanden. Bei voller Bezahlung.

"Es ist egal, ob er zu Hause sitzt oder hier. Es gibt dieses Urteil, dass er beschäftigt werden muss. Es ist mir zwar unverständlich, aber man kann das nicht ändern", meint dazu Bürgermeister Friedrich Scharrer. Gottwald wieder als Leiter der Musikschule einzusetzen, kommt nicht infrage: "Ich habe nicht vor, eine gut funktionierende Schule zu zerstören. Der derzeitige Leiter bleibt."

Gottwalds Anwalt Johannes Schuster versteht nicht, warum keine außergerichtliche Lösung gesucht wird: "Bürgermeister Scharrer schiebt das Problem - ein Erbstück seines Vorgängers - vor sich her. Der Rechtsirrtum mit Bezahlung von zwei Schulleitern kommt teuer. Der Schaden dürfte schon um eine Million Euro betragen."

 
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